Gegen Kapitalismus und EU – Solidarität mit den Streikenden in Südeuropa
Erklärung der IWW-Bremen zu den Solidaritätsdemonstrationen für die südeuropäischen Kolleginnen und Kollegen und der Rolle des DGB und des Europäischen Gewerkschaftsbundes
Liebe KollegInnen der verdi Betriebsgruppe Werkstatt Bremen und andere Aufrufende zum Aktionstag 14n in Bremen.
Wir schätzen Euer Engagement zur Unterstützung der streikenden KollegInnen vor allem in Südeuropa. Wir halten es für richtig und notwendig sich europaweit gegen die Lohn- und Rentenkürzungen usw. nationaler Regierungen und der EU zur Wehr zu setzen. Wir werden daher für die Teilnahme zu der Demonstration am 14. November werben.
Allerdings werden wir den von Euch erarbeiteten Aufruf nicht unterstützen, da er aus unserer Sicht inhaltlich an den wahren Ursachen der Ausbeutungsverhältnisse und durch die verschärfte Konkurrenz verursachte soziale Verwüstung in Europa vorbeigeht und insbesondere deshalb, weil ihr vom allem im Europäischen Gewerkschaftsbund und im DGB die für diesen Anlass falschen BündnispartnerInnen herbeiwünscht. Wir möchten dies näher begründen.
Im September 2011 rief der DGB Vorsitzende und die Vorsitzenden der acht DGB Gewerkschaften in riesigen Zeitungsanzeigen- ja zu Europa ! ja zum Euro ! – in der überregionalen Presse die Bundestagsabgeordneten auf für die Annahme des ESFS zu stimmen. Die Mehrheit im Bundestag war fraglich. Ein Aufruf mit dem gleichen Ziel kam zeitgleich vom Bundesverband der Arbeitgeberverbände BDA. Der ESFS war das „Rettungspaket“ mit dem EU, IWF und EZB zunächst den Griechischen Arbeiterrinnen und später in Portugal mit Lohn- und Rentenkürzungen bedachte und die Konsumsteuern anheben ließ. Dies war dem DGB Vorstand gewusst, als er von den Bundestagsabgeordneten die Zustimmung einwarb. Denn die Zustimmung zu neuen Krediten war an die vorherige Zusage und Beschlüsse in den dortigen Parlamenten zu Kürzungen von Renten und Lohn gebunden. Die Euros aus den Mitgliedsbeiträgen der deutschen Mitglieder für die Zeitungsanzeigen, waren folglich Mittel zur Lohnsenkung für ArbeiterInnen in Griechenland und wirken letztlich auch nach hier zurück. Die Motivation hierfür ließ die IG Metall am 18.11.2011 in ihren „10 Forderungen“ verlauten:
„Wir erläutern, warum wir den Euro, die Währungsunion und den gemeinsamen europäischen Markt brauchen.
1. Der Euroraum ist die wichtigste Exportregion der deutschen Wirtschaft.
Die deutsche Wirtschaft „lebt“ wie kaum eine andere Volkswirtschaft vom Export. Die Kunden im Ausland sichern bei uns Millionen von Arbeitsplätzen. Die wichtigsten Abnehmer deutscher Waren sind die Europäer. Das belegen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Danach wurden von allen Gütern und Dienstleistungen, die 2010 aus Deutschland ausgeführt wurden, 41 Prozent in die Eurozone geliefert. Auch für die Metallindustrie ist Europa ein wichtiger Markt: 34,2 Prozent ihrer Produkte exportierte sie in die Eurozone. Erst mit großem Abstand folgen Asien (20 Prozent) und Amerika (13 Prozent). „
Und da sich die UnternehmerInnen und ihr regionalen südeuropäischen Standorte nach der Euro Einführung nicht mehr mit der Abwertung ihrer Währungen gegen billiger produzierende Konkurrenz wehren können, wird die kapitalistische Konkurrenz innerhalb des Euro Raums brutal ausgetragen.
Hier bleiben die schwächeren Standorte auf der Strecke. Die dortigen Unternehmen unterliegen im Konkurrenzkampf und die Staaten verschulden.
Und der EGB ? Er erinnert in seinem Aufruf für den 14 November an seine fortwährende Unterstützung der Verträge von Lissabon. Ups – was war da noch ? 2008 wurden der EU Vertrag in Lissabon unterschrieben – im wesentlichen Textgleich mit der ursprünglich geplanten EU Verfassung, die in Irland und Frankreich in Volksentscheiden abgelehnt wurde. Diese EU Verträge forderten von den Mitgliedsländern u.a. „verstärkte Anstrengungen“ für Militärausgaben. In einem Zusatzprotokoll wurde der „freie und unverfälschte Wettbewerb“ beschworen. (Plus, die deutsche Linke reichte Verfassungsbeschwerde ein) Die EU sollte zur innovativsten und stärksten Wirtschaftregion der Welt ausgebaut werden.
Und eben dieser „freie und unverfälschte Wettbewerb“ der UnternehmerInnen und ihrer „Standorte“ ist die Ursache der Krise. Wenn es einen Exportweltmeister mit enormen Handelsbilanzüberschüssen gibt, muss es auch Regionen geben die diese Exportüberschüsse, verbunden mit Defiziten und Schulden aufnehmen. Die bundesrepublikanische Exportindustrie erzielten von 2000 bis 2010 einen Überschuss von 800 Milliarden Euro zu Resteuropa. Letztlich aber entscheidet nicht „deutsche Ingenieurskunst“ oder mediteranes Feeling darüber, sondern der Preis. Wer seine Produkte zu einem günstigeren Preis verkaufen kann als die KonkurrentInnen, der gewinnt. Das erfolgreiche Drücken der sogenannten Lohnstückkosten ist wesentlicher Faktor für den deutschen Exporterfolg. Und hier bekamen die UnternehmerInnen am Standort Deutschland mächtig Schützenhilfe von ihrem „ideellen Gesamtkapitalisten“ dem Staat. Beginnend mit der großen Steuerreform in Jahre 2000, der Agenda 2010 und den drastischen Eingriffen in die Rente und im Gesundheitsbereich, wurden die Profit- und Exportbedingungen dramatisch verbessert. Die Lohnstückkosten der deutschen Metall und Elektroindustrie sanken innerhalb eines Jahrzehnts um 17 Prozent.
Deutschland wurde nicht nur Exportweltmeister sondern auch absoluter Gewinner beim europäischen Niedriglohnranking. Der Niedriglohnsektor wuchs von 15 auf 23 Prozent. Wesentlich für die Senkung der Lohnkosten ist der Flexible Einsatz von Arbeitskraft. Hier spielen Leiharbeit und Flexibilisierungstarifverträge eine wesentliche Rolle. Was im Frühjahr 2012 bei Fiat in Italien mit der Brechstange (Drohung von Werksschließungen) durchgezogen wurde, ist in Deutschland seit mehr als einem Jahrzehnt tariflich vereint. Leiharbeit, Tarifverträge mit Lohnverzichtsklauseln und Flexitarifverträge sind die Basis für den Exportweltmeister. Und zu all diesem war die Unterschrift von DGB Gewerkschaften notwendig gewesen. Und diese wurden geleistet. Freiwillig denn IG Metall Chef Huber ist der „Marktwirtschaft mehr als zugetan“ (Weser Kurier Dez 2010). Und wer Marktwirtschaft gut findet, muss auch Konkurrenz gut finden und wer zu beidem ja sagt wird sich mit „seinem“ Kapitalisten (müsste heißen seinem Ausbeuter) zum Schutzes seines Ausbeutungsverhältnis gegen die andere KapitalistInnen aus fernen Ländern verbünden.
Dementsprechend hat der DGB und seine Einzelgewerkschaften maßgeblichen Anteil an Reallohnverlust in Deutschland und den profitsteigernden Leiharbeits- und Flexibilisierungsreglungen. Damit wurde die Grundlage für die Vernichtung von Industrien, Lohneinkommen und der Verschuldung in zahlreichen Ländern des Mittelmeerraumes geschaffen. Dies geschah im Bewusstsein der „Stärkung des Standorts Deutschland. Huber 9. Februar 2011)
Die Forderungen des Europäischen Gewerkschaftsbundes sind laut Ihrem Beschluss vom 17. Oktober darauf ausgerichtet mit einem „europäischen Investitionsprogramm“ die Wirtschaftskraft des EU Raumes zu stärken. Dazu wird auf altbewährte Mittel zurückgegriffen; der Kooperation mit der EU Kommission in Brüssel. Auf Sozialpartnerschaft und Stärkung des „Standorts Euro“. Dies ist weder Kampf gegen Sozial- und Lohnabbau, sondern ein Aufruf zur Kooperation mit „EU Staat“ und Kapital.
IG Metall Chef Huber bezeichnete nach einem Interview mit dem Schwäbischen Tagblatt vom 25.10.2012 die Streiks am 14. November in einigen Ländern als „voluntaristischen Unfug“ und schloss eine Teilnahme der IG Metall an Solidaritätsaktionen aus.
Angesichts dieser Beschluss- und Forderungslage von EGB und DGB ist es uns nicht möglich einen Aufruf zu unterzeichnen in dem sich positiv auf den DGB bezogen wird und dieser als Bündnispartner gewonnen wurde. Der DGB und seine Einzelgewerkschaften stehen für eine nationalistische Position und Kooperation mit dem Deutschen Kapital zur Stärkung des Standorts und zur Förderung seiner Konkurrenzfähigkeit gegen andere Nationen.
Und wehe wenn der DGB kommt, dann naht auch das Ende von Solidarität, jedweder Form von Kapitalismuskritik und jeglichem realen Widerstand gegen Staat und Kapital.
Machen wir am 14. November einen Anfang
Wobblies Bremen